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Freitag, 1. Mai 2015

Ehrenrettung für Sarastro

Daniel Sumegi als Sarastro
Vor ein paar Jahren habe ich zum Abschied meines Kollegen Hans Renner diesen Beitrag geschrieben. Der Historiker Hans Renner kommt aus Prag und ist ein Opernliebhaber. Man hatte uns für seine Festschrift ein Leitthema gegeben: "Der gute Herrscher". Das ist daraus geworden:



Sarastro und seine Feinde
Zur wechselhaften Rezeption des ‚guten‘ Herrschers in Mozarts Zauberflöte
von Peter Groenewold
‚Meine Prager verstehen mich‘ (Wolfgang Amadeus Mozart)

Opernliebhaber aus der Generation, die in diesen Jahren in Rente geht, sind in den vergangenen fünf Jahrzehnten in Bezug auf Mozarts Zauberflöte einem Wechselbad von Interpretationen und Gefühlen ausgesetzt gewesen. In den siebziger Jahren haben junge Autoren erhebliche Energien in eine negative Neubewertung der geheimnisvollsten unter Mozarts Opern gesteckt. Dabei wurden über die Entstehung der Oper und die Zusammenarbeit von Mozart mit seinen beiden Librettisten allerdings keine neuen Erkenntnisse vorgelegt.
Die neue Negativität speiste sich nur aus einem zeitgemäßen Unbehagen an den Elementen in Text und Handlung, die der emanzipatorischen Weltsicht der sechziger und siebziger Jahre zuwider waren. So widmete man sich in anachronistischer Solidarität gerne dem armen schwarzen Sklaven Monostatos und der angeblichen Diskriminierung der Frauenfiguren. Als Projektionsfläche und Zielscheibe für diese progressiven Affekte wurde die autoritäre Herrscherfigur des Sarastro ausgemacht.
Nicht Mozart selber wurde in Frage gestellt – wer ein Mozartbuch schreibt, ist in der Regel ein Bewunderer des Meisters - sondern die Angriffe und Umwertungen galten den Librettisten Schikaneder und Giesecke, und man suchte Argumente in den Umständen, unter denen die Zauberflöte entstanden ist, so in der Geld- und Zeitnot und in dem Druck von außen. Und so scheute man sich nicht, in eingeübter Radikalität die Frage zu stellen: ‚Ist die Zauberflöte ein Machwerk?‘[i]

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Die Verurteilung Sarastros aus dem Geiste der Achtundsechziger
Sarastro also soll es büßen: er wird als Sklaventreiber, Frauenentführer und der Gewalt nicht abgeneigter Tyrann eines scheinheiligen Sonnenreiches beschrieben. In die Mozartliteratur der siebziger Jahre schleicht sich durchgehend eine Sarastro-Denunziatorik ein, die auf purer Aversion beruht. Die durch die Frankfurter und zum Teil auch durch die Moskauer Schule gegangenen westdeutschen Intellektuellen, die tagsüber demonstrieren und abends Hölderlin lesen oder in die Oper gehen, ertragen es nicht, den Herrscher des siebenfachen Sonnenkreises auf einem von sechs Löwen gezogenen Triumphwagen unter den Jubelgesängen seiner Untertanen auffahren zu sehen. Diesen Herrschaftskitsch konnte Mozart in ihren Augen nicht gewollt haben. Also musste jemand anders dafür verantwortlich sein.
Die Bruchtheorie der Oper verschaffte Erleichterung. Der Plot und der Text seien in der Eile Stückwerk geworden, eines passe nicht zum anderen. Die geniale Musik ist unschuldig an dem Durcheinander. Sie erscheint nur als sozusagen ‚unpassende musikalische Gestaltung des moralisierenden Textes‘ und Sarastro als ‚die Karikatur des idealisierten Bürgers an der Macht‘. ‚Sarastro ist das höchst realistische Abbild des modernen, aufgeklärten, bürgerlichen Machtpolitikers der nachrevolutionären Epoche, eines George Washington meinetwegen, der im Norden der Vereinigten Staaten die Menschenrechte proklamiert, im Süden aber gleichzeitig  216 Sklaven sein eigen nennt – und daran nichts Unmoralisches finden kann.‘[ii] Der hier zitierte Autor fährt mit seinen anachronistischen Knüppelschlägen fort, indem er eine Liste von 24 berühmten Sklavenhaltern präsentiert, unter denen sich dreizehn US-Präsidenten befinden: ‚Warum sollte Sarastro nicht die Wiener Singspielausgabe eines dieser feinen Herren sein?‘ Als Beleg führt er danach ein langes Zitat von Friedrich Engels an, in dem das Reich der Vernunft als Reich der Bourgeosie entlarvt wird…
Ja, was für ein unglaublicher Schmarrn ist das, würden da die Wiener sagen; von den Pragern, die ihren Mozart sehr lieben, ganz zu schweigen!
Sarastro unter Masken
Mozarts verklärte und maskeradenhafte Licht- und Herrschaftsbilder verstecken hinter dem Märchenhaften, Ägyptiserenden und Allegorischen die eigentliche, freimaurerisch-aufklärerische Absicht der Oper. Die vielfältigen Chiffren und die geheimnisvolle Symbolik erklären sich durch die Bedingungen der Zensur, unter denen Mozart im erzkonservativen Wien arbeiten musste – und natürlich auch durch seinen eigenen freimaurerischen Hintergrund. Sie machen die Oper mehrschichtig lesbar: als harmloses Zaubermärchen, als große Allegorie des männlichen und weiblichen Prinzips und als Bild der revolutionären Wende im Zeitalter der Aufklärung. Unter dem neuen Kaiser Leopold II. (1790-1792) war es für Mozart in Wien nicht leichter geworden. Dennoch - oder gerade deshalb - war Wien der Ort, an dem die Zauberflöte vollendet wurde und ihre erste Aufführung erlebte und nicht das liberalere Prag, wo er lange in der angenehmen Atmosphäre der Villa Bertramka hatte arbeiten können und große Erfolge und ein enthusiastisches Publikum hatte erleben dürfen. Dort waren im Ständetheater schon der Don Giovanni und – nur wenige Wochen vor der Zauberflöte – anlässlich der Krönung Leopolds zum König von Böhmen La Clemenza di Tito uraufgeführt worden, eine Oper, die dem König und Kaiser ein liberales Herrscherbild vor Augen führen sollte.
Dem Publikum des 18. Jahrhunderts waren bildhaftes Denken und zensurgerechte Darstellungsweisen vertraut. Dem 20. Jahrhundert ist die Allegorie jedoch fremd geworden. Daher geraten die Achtundsechziger mit ihrem allgegenwärtigen Ideologieverdacht schon schnell einmal aufs falsche Gleis. Sarastro auf dem Triumphwagen wird von ihnen prompt als römisch-imperatorischer Gestus missverstanden. Aber Sarastro ist nicht der absolute Herrscher eines politischen Reiches, kein Imperator Rex, kein Despot, kein Diktator. Er ist der Vertreter einer geistigen Macht, die Natur, Vernunft und Weisheit als Gesetz der Menschheit umfasst. Diese Macht wird durch das Licht der Sonne dargestellt, und die Löwen sind ihre Symboltiere.
Mozart war Mitglied der Freimaurerloge Zur Wohltätigkeit. Auch seinen Vater veranlasste er zum Beitritt zu einer Loge. Seit langem ist bekannt, dass die äußere und innere Choreographie der Zauberflöte von der komplizierten Symbolik des Freimaurertums durchwirkt ist, aber erst in den letzten zehn Jahren hat dieser Ansatz in der Forschung zu umfangreichen Monografien geführt. Sie stammen teils von autodidaktisch-sektiererischen Autoren, die mit einer gewissen Besessenheit die letzten Geheimnisse Mozarts zu entschlüsseln vorgeben, teils von kulturwissenschaftlich-analytischen Forschern, die die Perspektive auf die Oper erheblich erweitert und vertieft haben. Zu den letzteren gehört die Untersuchung des Ägyptologen Jan Assmann, der die komplizierten, in Text und Musik eingeflochtenen Mysterien entschlüsselt und analytisch aufbereitet hat.[iii]
Im Bemühen um Offenlegung der geheimen Mysterienprojekte der Freimaurer zeigt sich Assmann ziemlich uninteressiert an Sarastro und stört sich auch wieder nur an dessen Behandlung des schwarzen Monostatos: ‚Heutzutage wirkt diese flapsige Behandlung schwerer Körperstrafen eher unangenehm, so dass man dann später Sarastro auch seine Hallenarie – ‚und ist ein Mensch gefallen, führt Liebe ihn zur Pflicht‘ – nicht mehr abnimmt. […] Es bleibt durchaus offen, ob in Sarastros Welt Mohren überhaupt als Menschen im vollen Sinne zählen.‘[iv]
All diese Arbeiten sagen so recht eigentlich nur etwas aus über das ‚dressing‘, das Mozart seiner Oper gegeben hat und über die Hintergründe und die Vorgeschichte dieses Dressing und nicht über das, was Sarastro uns unter all diesen Masken zu der real sich entfaltenden Machtrevolution in Mozarts Zeit zu sagen hat. Wie zeigt sich Sarastro dem Historiker?
Sarastro vor dem Hintergrund der Aufklärung und der Französischen Revolution
Die Uraufführung der Zauberflöte fand am 30. September 1791 in Wien statt, zwei Jahre nach der Erstürmung der Bastille in Paris. Mozart hat zwar den Beginn, nicht aber die dramatische Fortentwicklung der Französischen Revolution erlebt. Er starb schon am 5. Dezember 1791, ein Jahr vor der Kanonade von Valmy, von der Goethe sagte: ‚Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.‘ Tatsächlich wurde schon am Tag nach der Kanonade, am 21. September 1792, die Monarchie in Paris abgeschafft und die erste französische Republik ausgerufen. Wenige Monate später fand die öffentliche Hinrichtung König Ludwigs XVI. statt.
Auch wenn die Zauberflöte mit den konkreten historischen Ereignissen von 1789 und ihrer blutigen Weiterentwicklung nichts zu tun hat, so ist es ihr doch um die mit der Aufklärung verbundenen Zeitenwende zu tun. Auch in Mozarts Oper beginnt eine neue Epoche der Weltgeschichte und zwar nachdem ‚eine der wichtigsten Versammlungen unserer Zeit‘ stattgefunden hat. Mit diesen Worten bewertet Sarastro die Zusammenkunft der Priester, auf der Prinz Tamino für würdig befunden wird, sich den Prüfungen zu unterziehen. Er dankt den Priestern ‚im Namen der Menschheit‘ für ihr einstimmiges Votum. Zwar wird nicht ausgesprochen, worum es dabei schlussendlich geht, doch ist es nichts weniger als die Vorbereitung der Nachfolge Sarastros als Herrscher des Lichts und Vertreter des Menschheitsgesetzes. Betont wird dabei noch ausdrücklich, dass hier nicht der Prinz und Aristokrat Tamino hervorgehoben und geläutert wird, sondern der Mensch Tamino, und dass in seinem Mensch-Sein eine höhere Wertigkeit liege.  Anders als in der historischen Wirklichkeit findet der Übergang zu einer neuen Regierungsform hier ohne Blutvergießen statt und wird vom Inhaber der Macht persönlich eingeleitet.
Die meisten Interpreten der Zauberflöte kommen aus der Musik- und Kulturwissenschaft; die interessantesten Ansätze stammen von interdisziplinär arbeitenden Wissenschaftlern. Der Schweizer Arzt und Literaturwissenschaftler Jean Starobinski ist einer der wenigen, der diese Oper als Quelle vor dem Hintergrund der realen historischen Entwicklungen betrachtet hat.[v] Er kommt dabei zu einer außerordentlich klaren Einschätzung zur Thematik der legitimen und illegitimen Machtausübung und der Machtübertragung in der Zauberflöte. Erstaunlich, dass kein Historiker je versucht hat, diesen Zusammenhang darzustellen.
Starobinski zeigt das, indem er die Frage der Macht mittels eines ‚methodischen Kunstgriffs‘ in aufsteigender Linie an den drei Paaren Papageno-Papagena, Tamino-Pamina und Sarastro-Königin der Nacht entwickelt. Wir wenden uns hier nur dem letzteren zu: In der Königin der Nacht und Sarastro symbolisiert sich der Unterschied zwischen persönlicher und unpersönlicher Macht. Die Königin, Sarastros größte Feindin, kennt – neben ihrer Mutterliebe - nur Eifersucht, Mordlust, Rache. Sie nutzt ihre Macht für ihre selbstsüchtigen Zwecke. Sarastro dagegen tritt gerade gegen die willkürliche Ausübung der Macht auf. Er ist ganz bewusst ein Stellvertreter, ein Interpret, ein Offiziant der Macht, die ihm von den ‚Göttern‘ verliehen ist. Er agiert ohne negative Leidenschaften, tut seine Pflicht. Die Person, der Mensch Sarastro muss dahinter zurücktreten; dass es ihn trotzdem gibt, demonstriert Mozart an seiner entsagenden Liebe zu Pamina.
Diese Oper zeigt den subtil und dynamisch konstruierten Prozess zwischen den beiden manichäischen Mächten der Finsternis und des Lichts. Im ersten Akt erfährt Prinz Tamino und mit ihm der Zuschauer die Macht und die Welt der Königin der Nacht als attraktiv und verführerisch. Die Königin und ihre drei Damen sind Meisterinnen der Verschleierung. Tamino erliegt ihnen zeitweise, bis er im zweiten Akt in den Bann der höheren Macht Sarastros gezogen wird und die Klarheit der Sonne die finstere Nacht vertreibt.
In einem anderen Essay verweist Starobinski auf den ‚Sonnenmythos der Revolution‘: kollektive Vorstellungen in den Jahren um 1789, in denen die Zeitgenossen der Aufklärung die aktuellen Entwicklungen symbolisch als allmählichen Tagesanbruch nach langer finsterer Nacht deuten.[vi] Hierfür gibt es zahllose Belege in der europäischen Literatur und Kunst. Ein besonders eingängiges Beispiel ist der Kupferstich mit dem Titel ‚Aufklärung‘ (1791) von Daniel Chodowiecki (1723-1801), der ein kleines Städtchen im Frühnebel unter den Strahlen der aufgehenden Sonne zeigt. Der Künstler erläutert seine allegorische Darstellung des neuen Phänomens Aufklärung:
‚Dieses höchste Werk der Vernunft [...] hat bis jetzt noch kein allgemeines verständliches allegorisches Zeichen (vielleicht weil die Sache selbst noch neu ist) als die aufgehende Sonne. Es wird auch wohl lange das Schicklichste bleiben, wegen der Nebel, die immer aus Sümpfen, Rauchfässern und von Brandopfern auf Götzenaltären aufsteigen werden, die sie so leicht verdecken können. Indessen wenn die Sonne nur aufgeht, so schadet Nebel nichts.‘
Die Zauberflöte leistet als komplexe allegorische Oper genau das, was Chodowiecki in seinem einfachen Bild, das im Jahr ihrer Uraufführung entstanden ist, zu erfassen gesucht hat.
Sarastro als transitionaler Herrscher
Was unterscheidet die ‚böse‘ Königin der Nacht vom ‚guten‘ König des Lichts? Wir haben bereits auf den Grundunterschied hingewiesen: die Diskrepanz von persönlicher und unpersönlicher Macht. Sarastro wird in der Literatur immer wieder als autoritärer, zumindest aber als patriarchalischer Herrscher gesehen. Dabei wird der eigentliche Höhepunkt der Oper gar nicht zur Kenntnis genommen: seine Bereitschaft zum Verzicht. Das Besondere an Sarastro ist ja gerade, dass er die Übergabe seiner Macht aus freiem Willen und zu seinen Lebzeiten vorbereitet und dabei einen neuen Schritt in der Menschheitsgeschichte tut. Mozart und sein Librettist projektieren eine Synthese aus der Welt der Königin der Nacht und Sarastros, eine Machtsynthese des weiblichen und männlichen Prinzips: die gleichberechtigte Doppelherrschaft Taminos und Paminas. Was hier angestrebt wird, ist eine in der Geschichte zwar nicht einzigartige, aber doch völlig neu begründete gemischtgeschlechtliche Dyarchie: ‚Mann und Weib und Weib und Mann, reichen an die Gottheit an.‘
Mit Nachdruck weist das Libretto hier auf die gleichwertige Verbindung des männlichen und des weiblichen Prinzips hin: durch die nochmalige Wiederholung von ‚Mann und Weib‘ in umgekehrter Reihenfolge: ‚Weib und Mann‘. Das ist die Synthese in dieser dialektisch aufgebauten Oper: im ersten Akt begegnet der Zuschauer dem weiblichen Prinzip in Gestalt der Königin der Nacht, und er wird, wie auch Prinz Tamino, ganz von ihr eingenommen. Im zweiten Akt wechselt die Perspektive zum männlichen Prinzip des Herrschers des Lichts; der von der Königin indoktrinierte Zuschauer gerät in Verwirrung und schlägt sich schließlich nach Aufklärung der Hintergründe, wie auch der Prinz und Pamina, die Tochter der Königin, ganz auf die Seite Sarastros. Sarastro selber fügt in Weisheit und Selbstentsagung wieder zusammen, was zusammen gehört: Mann und Weib und Weib und Mann. Und er bereitet mit Hilfe von Versammlungen und Prozeduren, deren Ausgang er nicht allein bestimmen kann, die friedliche Übergabe seiner Macht vor. Der Prinz des Lichts Tamino und die Prinzessin der Nacht Pamina: in der Nachfolge wird eine Doppelherrschaft stehen, eine Dyarchie, in der ein Mann und eine Frau gleichberechtigte Herrscher sind. Darum war die Versammlung der Priester eine der wichtigsten und revolutionärsten der Geschichte. Der nobelste König ist ein Königspaar. Sarastros geschlossene Gesellschaft mit ihrem Freimaurercharakter ist die Vorbereitung für eine neue, utopische, offene Gesellschaft, in der nicht Eisen und Blut den Ausschlag geben, wie in dem real auf Mozarts Zeit folgenden 19. Jahrhundert, auch nicht unbedingt Majoritätsbeschlüsse, sondern Freundschaft und Liebe.
Dies alles – und nun gestatte ich mir einen eigenen Anachronismus - erinnert an die Minimalbedingungen für die ‚offene Gesellschaft‘, die Karl Popper in seinem Werk The Open Society and its Enemies von 1945 beschrieben hat: den gewaltlosen Übergang in der Machtausübung und die ständige Aushandlung der Entscheidungen in flexiblen Institutionen. Dieselben Achtundsechziger, die mit Sarastro nicht leben konnten, sind auch Popper und seinen Freunden feindselig begegnet, denen sie höchst verächtlich ‚Positivismus‘ vorgeworfen haben. Haben sie ihn überhaupt gelesen? Haben sie Sarastro zugehört? Haben sie Mozart verstehen können?
Mozart liebte das Duett ‚Mann und Weib‘ sehr. Als im Herbst 1791 fast täglich die Zauberflöte an der Wiener Oper gegeben wurde, ging er oft heimlich in die Vorstellungen. Er schlüpfte in die ein oder andere Loge oder schlich sich hinter die Bühne, um selbst das Glockenspiel zu spielen. Danach schrieb er an Constanze, die zur Kur nach Baden-Baden gefahren war. Es waren seine letzten Briefe: ‚Eben komme ich von der Oper; sie war so voll wie allzeit. Das Duett Mann und Weib und das Glöckchenspiel im ersten Akt wurde wie gewöhnlich wiederholt […], was mich aber am meisten freut, ist der Stille Beifall.‘[vii]
Diesem Duett von Mann und Frau, das später dann auch in Prag zu einem Renner wurde,  möchten auch wir unseren stillen Beifall zollen. Der Prager Pensionär von heute ist in den letzten fünf Jahrzehnten den Prüfungen guter und schlechter Herrschaft ausgesetzt gewesen. Er hat sie alle bestanden.





[i] Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn, Mozart. Ist die Zauberflöte ein Machwerk?, München 1978
[ii] Attila Csampai und Dietmar Holland (eds.), Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte. Texte, Materialien, Kommentare, Reinbek bei Hamburg 1982, 32f.
[iii] Jan Assmann, Die Zauberflöte. Oper und Mysterium, München und Wien 2005
[iv] a.a.O., 144
[v] Jean Starobinski, ‘Licht der Aufklärung und Macht in der Zauberflöte, in: ders., 1789. Die Embleme der Vernunft, München o.J. (1988), 107-124
[vi] Starobinski, ‘Der Sonnenmythos der Revolution‘,  a.a.O., 31-36
[vii] Brief an Constanze vom 7. Oktober 1791

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