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Samstag, 30. August 2014

Jörg Fauser revisited



Der österreichische Autor Michael Köhlmeier hat seine Eröffnungsrede beim diesjährigen Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt ganz dem Leben und Werk Jörg Fausers gewidmet, der im Juli 70 Jahre alt geworden wäre.


Fauser, von dem es inzwischen mehrere Gesamtausgaben gibt, galt jahrzehntelang als Kultautor und Geheimtipp. Dabei spielte auch sein früher Tod mit 43 Jahren eine Rolle: Er ist 1987 unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Köhlmeier schließt auch eine bewusst herbeigeführte Tötung nicht aus.


Fauser selbst ist seinerzeit bei seinem Auftritt in Klagenfurt von Marcel Reich-Ranicki und den anderen Juroren gnadenlos verrissen worden. Köhlmeier spricht von der “Literaturkritik in ihrer hinterhältigsten und gemeinsten Gestalt”. Es ging um ein Kapitel aus dem autobiographischen Roman “Rohstoff” (1984).


Dieses Buch ist unter dem Titel “Grondstof” vor kurzem in niederländischer Übersetzung beim Verlag “Leesmagazijn” erschienen. Dieser Verlag kümmert sich verdienstvoll um eine Art Gegenkanon der deutschen Literatur.

Judith Hermanns erster Roman: Ein gnadenloser Verriss



Judith Hermann
Ich habe lange nicht mehr so einen heftigen Verriss gelesen, wie den von Edo Reents zu Judith Hermanns gerade erschienenen erstem Roman “Aller Liebe Anfang”. 

(Judith Hermann: ja, das ist die Autorin des Erzählbandes “Sommerhaus, später”,1998, den wir damals alle so schön gefunden haben.)



Dies ist der erste Satz von Reents’ Rezension:


“Judith Hermann hat zwei Probleme: Sie kann nicht schreiben und sie hat nichts zu sagen.”


Den Rest findet man hier. Ich fürchte, Reents hat recht.

Donnerstag, 28. August 2014

Lesespaß mit Jörg Fauser


Jörg Fauser, der – ähnlich wie Juli Zeh - Spaß an ausgefallenen Vergleichen hat, verheddert sich damit manchmal ganz entschieden:


“Ihr Gesicht war so ausdruckslos wie die ungeleckte Rückseite einer Briefmarke.” (Der Schneemann, 120)


Aber das machen dann Sätze wieder gut, die den Leser ganz fassungslos machen:


“Samstagnachmittag. Die Erwerbstätigen führten ihre überfressenen Familien spazieren.” (178)

Jörg Fauser (1944-1987)

Mittwoch, 27. August 2014

Das nachgestellte "also"

Ich hatte sofort ein ungutes Gefühl: Das nachgestellte "also" steht nämlich ohne Komma (Siehe meinen letzten Beitrag: "Zeit genug für ein gutes Buch, also.").

Ein Fehler also.

Jörg Fauser, Tanz der Kakerlaken


Beim Stöbern in meinen Büchern fiel mir “Der Schneemann” von Jörg Fauser in die Hände. Er stand – sehr zu Recht – nicht bei den Kriminalromanen. Ich erinnere mich allerdings nicht, ihn je gelesen zu haben, obwohl ich in dem 1992 erschienenen Pocket eine Mitropa-Rechnung von 1993 fand, was auf eine Bahnreise zwischen Berlin und Groningen hindeutet. Zeit genug für ein gutes Buch, also.



Ich habe mal reingelesen und komme nicht wieder los. Welch ein Schriftsteller!


Zum Beispiel:

“Ein Kakerlake packte mit seinen Vorderbeinen ein Weibchen und bestieg es. Als sie auf den Titel Don’t go breaking my heart gerutscht waren, warf Blum eine Münze in den Schlitz der Musikbox, drückte die Taste und sah den Kakerlaken bei der Paarung zu. Die Box war voller Kakerlaken, toten und lebenden. Rockfreaks, dachte Blum. Tanzen auf dem warmen elektrischen Bauch der Maschine, rocken und ficken sich zu Tode. Viel Spaß, ihr beiden. Der Kakerlake ließ das Weibchen los. Es rutschte über Sailing und La Barca und blieb auf Please don’t go regungslos liegen. Der Alte hat sie totgemacht. Bei den Skorpionen ist es das Weibchen, bei den Kakis das Männchen. So ist das Leben, Mädchen. Blum griff sich sein Bier und sah wieder hinaus auf die Gasse, wo die jungen Dinger im Gedröhn der Musik auf die Touristen warteten, die gerade überlegten, ob sie sich eine halbe Flasche Wein zu Mittag leisten oder lieber ihrer Frau das T-Shirt kaufen sollten, auf dem stand I lost my heart in Malta.” 


Jörg Fauser, Der Schneemann, Hamburg 1992, S. 25

Montag, 25. August 2014

Deutschland, eine Krimireise


Das Stichwort “Krimi”  hat mich an einen Vortrag erinnert, den ich vor sechs Jahren gehalten habe: “Deutschland, eine Krimireise”. Ich hatte ihn als eine Rundfahrt durch Deutschland gestaltet, gegen den Uhrzeigersinn durch die Grenzregionen: angefangen in Ostfriesland, dann im Westen bis Bayern hinunter und schließlich im Osten wieder hinauf bis Schleswig-Holstein. Eine Deutschlandreise in 30 Regionalkrimis. 


Die Liste findet sich am Ende des Vortrags; sie ist natürlich jetzt im Jahre 2014 nicht mehr ganz up to date, aber das macht eigentlich nichts. Der Vortrag ist nur am Anfang ganz ausgearbeitet. Die zweite Hälfte habe ich mehr stichwortartig gehalten, da ich lieber frei spreche. 

Wer sich für den Vortrag interessiert, bitte hier klicken:

Die besten deutschen Krimis

Deutscher Krimi Preis 2014: Friedrich Ani, M


Ich könnte mir vorstellen, dass unsere niederländischen Leser auch mal einfach einen guten deutschen Krimi lesen wollen. 

Dann ist die Homepage des Deutschen Krimi-Preises ein guter Weg, an geeignete Titel plus Informationen zu Buch und Autor zu kommen.

Samstag, 16. August 2014

Museum für gefährdete Töne


Die Technik, die uns alltäglich umringt, produziert Geräusche: Töne, die in uns eindringen, angenehme, neutrale und unangenehme, Töne, die, je öfter wir sie hören, desto tiefer in unserem Gedächtnis verankert werden. Irgendwann verschwinden sie aus dem Alltag, weil neue Geräte und Maschinen mit neuen Tönen an ihre Stelle treten.


Letztens, als ich mich an ein altes Pausenzeichen aus dem Radio erinnerte (etwas aus den fünfziger und sechziger Jahren)  und es dann tatsächlich bei YouTube gefunden hatte, fragte ich mich, ob wohl jemand all diese Töne sammelt und archiviert, ob es vielleicht sogar ein Museum der Töne und Geräusche gibt.

Und ja! Natürlich gibt es das! Und viel mehr, als ich gedacht hatte. Es gibt tatsächlich ein “Museum für gefährdete Töne”, in dem auch allerlei Töne der jüngsten Vergangenheit bewahrt werden, die im raschen Technikwechsel verloren zu gehen drohen.


Irgendwie hat mich das sehr beruhigt.


Dies hier ist mein gesuchtes Pausenzeichen aus der Zeit, in der noch keine Werbung sekundengenau zwischen die Radio- und Fernsehbeiträge geschaltet wurde. Es hat auf mich noch immer ein magische Wirkung. Ich saß als kleiner Junge vor dem Radio und wartete auf den Anfang einer Sendung...