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Montag, 20. Mai 2013

Hannes Stein, Der Komet. Ein österreichisches Pfingstwunder


Das Pfingstwunder
Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.
 Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein?


Jedes Jahr bin ich auf der Suche nach einem aktuellen Roman aus dem deutschen Kulturraum, der sich ganz besonders für die Besprechung in einem Kreis literarisch und historisch interessierter Niederländer eignet (für „Niederländer“ können Sie auch ein beliebiges anders europäisches Volk aus der Liste des Eurovision-Songfestivals einsetzen, aber ich bespreche ihn nun einmal mit Niederländern).

Im Vorfeld sage ich immer gerne, dass ich auf der Suche nach einem Gegenwartsroman bin. Das hat damit zu tun, dass deutsche Qualitätsromane der letzten Jahrzehnte meistens etwas mit der Vergangenheit zu tun hatten. Aber die habe ich so oft besprochen. Ich will gerne mal was anderes.

Dieses Jahr war die Auswahl überraschend reichlich. Sogar Zukunftsromane dienten sich an, so dass ich lange zögerte. Zu Pfingsten fragte ich mich: „Was soll das werden“ und genoss in meiner Ratlosigkeit des süßen Weines. Da geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus. Und es erschien mir ein Prediger, der mich auf ein ganz besonderes Buch hinwies, das die Vergangenheit in eine neue Gegenwart verzaubern würde.

Ich danke Wolf Biermann für seine Besprechung des Romans „Der Komet“ von Hannes Stein in der vorletzten ZEIT. Sie hat mich so neugierig gemacht, dass ich das Buch sofort bestellt und zu Pfingsten gelesen habe.

Dieser Roman spielt im Jahr 2000 und entwickelt sich aus der Voraussetzung, dass das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand 1914 misslungen ist und der Erste und damit auch der Zweite Weltkrieg inklusive des Holocaust deshalb nicht stattgefunden haben.  Die deutsche, österreichische und russisches Monarchie: Sie bestehen noch jetzt, im 21. Jahrhundert! Und du, glückliches Österreich mit deiner wunderbaren Hauptstadt Wien, bist das kulturelle Zentrum der Welt. Der geneigte Leser möge in seiner Phantasie erwägen, was das alles bedeuten könnte. Zum Beispiel: Anne Frank wird den Literatur-Nobelpreis gewinnen.

Das alles hätte also ganz fundamental in die Hose gehen und in Unerträglichkeiten ausarten können, aber Hannes Stein ist ein unglaublich witziger, geistreicher und ergreifender Roman gelungen. Mein Pfingstwunder! Und, zum Kuckuck: Es ist doch wieder ein Vergangenheitsroman. Erfüllt vom Heiligen Geist. Lest ihn.


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