Cookie

Dienstag, 10. April 2012

Poetologie des Blogs (10): Armseliger Narzissmus?

Nach langer Zeit, in der ich mich berufsbedingt mit anderen Themen beschäftigen musste, habe ich endlich einmal wieder Anregendes zu einigen meiner Lieblingsthemen gefunden: Ansätze zu einer Theorie der Gegenwart, unserer Eigen- und Echtzeit und am Rande auch zu einer Theorie des Blogs.

Von Hans Ulrich Gumbrecht, der sich gestern zum Fall Günter Grass geäußert hat, ist im letzten Jahr das Suhrkamp-Bändchen Unsere breite Gegenwart (Frankfurt a.M. 2011) erschienen. Es enthält sechs Anläufe zur Charakterisierung des gegenwärtigen Zeitalters, das noch keinen Namen hat, und einen Versuch, diese Anläufe zum Absprung in eine noch zu schreibende Theorie der Gegenwart zusammenzufassen. Bildlich gesprochen schwebt Gumbrecht also mitten in diesem Sprung und kündigt dabei seine Ankunft bei irgendetwas an. Wie weit der Sprung reichen wird und wo genau er landet, ist noch nicht sichtbar.
Ich greife einfach mitten hinein und präsentiere ein Detail aus dem sechsten Anlauf, das mich zunächst verständlicherweise ein wenig irritiert hat:

„Selbst auf der Website meines besten Freundes kann ich nur allein sein, und was ich dort vielleicht als Hauch von Nähe empfinde, geht nie über die Nähe eines Touristen oder eines Voyeurs hinaus. Gibt es etwas Armseligeres als die unzähligen Blogs, die mit einem unfassbaren Narzissmus geschrieben werden – und auf ewig ungelesen bleiben, und zwar aus guten Gründen?“

Aus: ‚Unbegrenzte Verfügbarkeit. Über Hyperkommunikation (und Alter)‘; Gumbrecht, Seite 128
Bevor ich in einem der folgenden Beiträge auf den Kontext dieser Bemerkung eingehe, möchte ich das erst mal ein bisschen einwirken lassen. Bin ich ein armseliger Narziss, ungelesen und auch nicht lesenswert?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen